Neues Logo – Teurer Irrtum.
Warum die meisten Logowechsel ein teurer Fehler sind. Ein Realitätscheck mit schockierenden Zahlen.

„Wir brauchen ein neues Logo!“ – So beginnen Kundenbriefings bei neuen Aufträgen nicht selten. Oft geht es mit einem neuen CEO oder einem sonstigen Wechsel in der Chefetage einher. Man hört dann oft, dass das aktuelle Logo nicht mehr zeitgemäß sei oder nicht mehr zur aktuellen Positionierung passe. Doch selten ist sich der Briefende über den Aufwand und die damit verbundenen Kosten im Klaren. Es ist klug, wenn zeitgleich eine projektverantwortliche Person aus dem Unternehmen mit am Tisch sitzt, die bereits Prozess, Aufwand und Kosten zusammengetragen hat.
Wenn nicht, dann folgt hier die Realität: Für ein mittelständisches Handels- oder Produktionsunternehmen bedeutet ein Logowechsel nicht selten eine Investition von mehr als einer Million Euro und eine Umstellungszeit von zwei bis drei Jahren.
Die schockierende Wahrheit über die Kosten
Wer einmal eine Anwendungsliste erstellt hat, weiß, an wie vielen Kontaktpunkten Logos eingesetzt werden. Es sind die Umsetzungskosten, die viele Unternehmen zu Recht scheuen und abschrecken:
- Fahrzeugflotte: Komplette Neubeschriftung aller Firmenfahrzeuge
- Immobilien: Gebäudeschilder, Leuchtbuchstaben, Fassadenbeschriftungen
- Arbeitskleidung: Neue Uniformen, Helme, Schutzausrüstung für alle Mitarbeiter
- Büroausstattung: Briefpapier, Visitenkarten, Formulare, Stempel
- IT-Systeme: Websites, Software-Interfaces, digitale Vorlagen
- Produktverpackungen: Bei Herstellern oft der größte Kostenfaktor
- Marketing-Materialien: Broschüren, Messeauftritte, Werbemittel
In den seltensten Fällen existiert eine fertige Liste über alle Anwendungen. Natürlich könnten Sie die Gelegenheit nutzen und aufräumen. Dennoch hat sich die Marke seit dem letzten Relaunch mit Sicherheit verändert und die Medienvielfalt online wie offline ist massiv gestiegen.
Nicht die Entstehung, sondern die Umsetzung verschlingt Millionen
Nicht ganz so dramatisch sieht es bei reinen Produkt- und Dienstleistungsmarken aus – aber auch hier werden Aufwand und Kosten schnell unterschätzt. Man bedenke, dass schon ein besserer Badezusatz aus Primärverpackung (Etikett), Sekundärverpackung (Faltschachtel) und Transportverpackung (Tray) besteht, dazu nicht selten ein Produktfolder und Merchandising-Artikel, eventuell noch Event- und Partneraktivitäten.
Bei großen Sortimenten kann ein Logo schon mal 8 (Nivea) bis 12 (KNORR) Jahre halten – ein deutliches Zeichen dafür, wie kostspielig ein Wechsel ist.
Entwicklungskosten: Der unterschätzte Eisberg
Zwar gibt es bei Fiverr einen Minimaldatensatz schon ab 5 Euro und bei Namelix wird zur Namensfindung gleich ein ansehnliches Logo mitgeliefert, das angeblich von einer KI kreiert wurde. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass hier nichts anderes als vorgefertigte Datensätze kombiniert werden. AI-generierte Logos werden sicherlich immer besser, doch bezüglich der Komplexität der Anwendung wurde sie noch nicht gebrieft. Außerdem leben wir nach wie vor in einer physischen Welt.
Was Logos in der Entwicklung wirklich teuer macht:
- Recherche und Analysen: Wenn man noch nicht weiß, wohin es gehen soll
- Internationale Teams: Falls es sich um eine globale Marke handelt
- 50 bis 200 Datensätze: Für On- und Offline-Anwendungen erforderlich
- Strategische Meetings: Mehrere Monate, um alle Verantwortlichen mitzunehmen
- Rechtliche Prüfungen: Markenrecht, internationale Verfügbarkeit
Die Entwicklung eines neuen Logos ist wie eine 9-monatige Schwangerschaft – es braucht Zeit, Geduld und viel Aufmerksamkeit.
Die versteckten Risiken
Das GAP-Desaster: Wenn Kunden rebellieren
2010 ersetzte GAP sein klassisches blaues Logo durch ein modernes Design. Der öffentliche Aufschrei war so groß, dass GAP nach nur sechs Tagen das alte Logo wieder einführen musste. In sozialen Medien verstärken sich solche Reaktionen heute exponentiell – ein Reputationsrisiko, das kaum kalkulierbar ist.
Das Verfallsdatum-Phänomen
Gerade im Konsumgüterbereich überträgt sich das „überschrittene Verfallsdatum“ automatisch auf alle anderen Anwendungen, wenn nach einem Wechsel noch irgendwo ein altes Logo auftaucht. Und das kann bei der Menge der Produkte schnell passieren, sodass diese dann wie Blei liegen bleiben. Seien Sie also vorsichtig, wenn Sie nicht die Kontrolle über alle Touchpoints haben.
Der ROI-Mythos
Ein neues Logo bringt für sich genommen keinen Euro mehr in die Kasse. Der Mehrwert muss durch andere strategische Maßnahmen entstehen – und die kosten zusätzlich.
Interne Widerstände
Mitarbeiter haben immer eine emotionale Bindung zum alten Logo. Hier muss man behutsam vorgehen, denn Mitarbeiter sind schließlich auch Markenbotschafter.
Es gibt auch Fälle, in denen sie die neue Ästhetik ablehnen. So weigerten sich beispielsweise die männlichen Mitarbeiter des Bauunternehmens IMPLENIA, „ds Bliemli“ (das Blümchen) auf dem Helm zu tragen. Sie verstanden das neue Design als homosexuelle Anspielung – ein kostspieliger interner Konflikt, der zusätzliche Überzeugungsarbeit erforderte.
Wann Unternehmen trotzdem wechseln: Die seltenen Ausnahmen
Ein Logowechsel bei Unternehmen erfolgt in der Regel nur alle 20-30 Jahre, je nach Unternehmensentwicklung. Die wenigen berechtigten Gründe:
1. Existenzielle Unternehmenskrise
BP (2000): Nach 80 Jahren wechselte BP vom grünen Schild zur "Helios"-Sonne und benannte sich von "British Petroleum" zu "Beyond Petroleum" um. Grund: Das Unternehmen musste sich nach Umweltskandalen völlig neu positionieren.
2. Rechtliche Zwänge
Markenrechtsverletzungen oder Fusionsauflagen lassen keine Wahl.
3. Technische Unzulänglichkeiten
Wenn das Logo in digitalen Medien nicht mehr funktioniert – aber auch das lässt sich oft durch Anpassungen lösen.
Die Entscheidungsfalle: Emotionen statt Fakten
Die Entscheidung für ein neues Logo wird im Unternehmen von oben, vom obersten Gremium getroffen. In den seltensten Fällen wird die Entscheidung von Marktforschung begleitet – das würde auch die geheime Strategie zu früh öffentlich machen.
So ist die Entscheidung für ein neues Logo letztlich immer auch eine ästhetische Entscheidung. Manchmal hat sogar der Ehepartner des CEOs das letzte Wort – als eine Art „Geschmackspolizei“.
Das Problem: Ästhetische Urteile rechtfertigen keine Millionen-Investitionen.
Die kostengünstigeren Alternativen
Bevor Sie "Wir brauchen ein neues Logo!" sagen, prüfen Sie diese Optionen:
Logo-Refresh statt Revolution
- Modernisierung der Typografie ohne Symbolwechsel
- Farbaktualisierung für bessere digitale Darstellung
- Vereinfachung für kleine Anwendungen
Beispiel: Coca-Cola hat sein Logo über 130 Jahre kontinuierlich weiterentwickelt, ohne jemals einen radikalen Bruch zu vollziehen.
Und, bei einem Refresh fällt es Kunden nicht so auf, wenn an der einen oder anderen Ecke noch ein altes Logo hängt. Siehe Vodafone.
Digitale Optimierung
Oft reicht eine technische Überarbeitung für moderne Medien, ohne das Grunddesign zu ändern.
Kommunikationsstrategie ändern
Anstatt das Logo zu ändern, kann eine neue Werbekampagne die gewünschte Modernität vermitteln. Alternativ können Sie auch die Bildwelt, das Layout und die Typografie Ihrer Medien überarbeiten.

Die brutale Kosten-Nutzen-Rechnung
Realistische Kostenschätzung für mittelständische Unternehmen:
- Logoentwicklung: 50.000 - 200.000 Euro
- Anwendungsumsetzung: 800.000 - 2.000.000 Euro
- Zeitaufwand: 2-3 Jahre
- Risiko: Kundenabwanderung, interne Konflikte
- Nutzen: Oft nicht messbar
Faustregel: Nur wenn die strategischen Gründe so gravierend sind, dass sie eine komplette Neupositionierung rechtfertigen, sollte ein Logowechsel in Erwägung gezogen werden.
Lassen Sie die Finger davon!
Ein Logowechsel ist wie eine Organtransplantation – theoretisch möglich, aber nur bei lebensbedrohlichen Zuständen ratsam. Die meisten Unternehmen unterschätzen die Kosten um den Faktor 5-10 und den Zeitaufwand um Jahre.
Die ehrliche Checkliste:
- Lebensbedrohliche Krise: Steht das Unternehmen vor dem Kollaps ohne Imagewandel?
- Rechtlicher Zwang: Müssen wir wegen Markenrechtsverletzungen wechseln?
- Fusion: Entstehen aus zwei Unternehmen ein neues?
- Budget vorhanden: Sind 1-2 Millionen Euro verfügbar?
- Geduld: Können wir 2-3 Jahre Umsetzung verkraften?
Wenn Sie weniger als vier Punkte mit "Ja" beantworten können: Finger weg vom Logowechsel!
Ein gutes Logo wird mit der Zeit besser, nicht schlechter. Coca-Cola, Mercedes-Benz und Apple beweisen es seit Jahrzehnten. Investieren Sie das Geld lieber in Produktentwicklung, Kundenservice oder Marketing – das bringt garantiert mehr Euros in die Kasse als ein neues Logo.