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Wenn Logos ihre Seele verlieren

| 5 Min | Gestaltung Kommunikation

Warum Markenzeichen immer austauschbarer werden – und was das über unsere Zeit verrät.

Erinnern Sie sich noch an das alte eBay-Logo? Diese tanzenden, bunten Buchstaben, die sich übermütig übereinander stapelten und angeblich eine „kommunizierende Community" darstellen sollten? Heute präsentiert sich eBay mit einer schnöden, geradlinigen Wortmarke. Aufgeräumt. Erwachsen. Langweilig. Und eBay ist damit nicht allein.

Die Ära der konstruierten Geschichten

Manche Logos drängen uns regelrecht Geschichten auf. Der Gründer bei KFC grinst uns entgegen, Starbucks bedient sich an der griechischen Mythologie, TUI suggeriert mit seinem Lächel-Gesicht gute Laune, Amazon verspricht mit seinem Pfeil von A bis Z die totale Warenvielfalt, und TikTok erinnert mit seiner Achtelnote daran, dass die App einst als Musik-Streaming-Dienst begann.

Das Problem: Die spontane Entzifferung dieser Bedeutungsebenen gelingt ohne Hilfestellung bestenfalls bedingt. Wer denkt beim Amazon-Pfeil wirklich sofort ans Alphabet? Wer assoziiert die TikTok-Note mit Musik-Streaming, wenn die App längst zur Video-Plattform mutiert ist?

Formale Ableitungen erscheinen da irgendwie logischer: Die in einen Kreis gezwängte bayerische Flagge bei BMW (aber bitte kein Propeller – dieser Mythos hält sich hartnäckig, ist aber längst widerlegt!), ein großes N bei Netflix oder, ganz wörtlich genommen, ein Vogelnest bei Nestlé. Hier versteht man zumindest die visuelle Logik.

Andere Geschichten wirken konstruiert, fast verzweifelt: Die Überwindung von Grenzen im Berglogo von Adidas Performance oder besagtes Community-Getanze bei eBay – wollte man hier die rein formale Idee nachträglich mit einer interessanten Story aufpeppen? Musste dem Design-Team eine Legitimation für den Entwurf eingereicht werden?

Dabei gibt es durchaus Gegenbeispiele, die zeigen, wie es richtig geht. Das FedEx-Logo mit seinem versteckten Pfeil zwischen E und x – ein subtiles Aha-Erlebnis, das Geschwindigkeit und Präzision vermittelt, ohne sich aufzudrängen. Oder Toblerone mit dem versteckten Bären im Berg, der auf die Berner Herkunft verweist (Bern, die Bärenstadt). Übrigens: Das Matterhorn musste weichen, nachdem die Produktion die Schweiz verließ und die "Swissness"-Anforderungen nicht mehr erfüllt wurden – der Bär blieb. Diese Logos geben ihre Geschichte erst auf den zweiten Blick preis. Sie funktionieren auch ohne das Wissen um die Hintergrundstory, belohnen aber die genauere Betrachtung. Das ist intelligent gemacht – nicht konstruiert, sondern organisch in die Gestaltung eingewoben.

Der Marsch ins Banale

eBay ist von einer Plattform für private Verkäufer und Sammlerstücke zu einem Händler für Neuware mutiert. Der größte Umsatz wird längst mit fabrikneuen Produkten gemacht, nicht mehr mit gebrauchten Schätzen vom Dachboden. Anscheinend wollte man diese Transformation auch mit dem Logo-Relaunch dokumentieren – oder das alte, verspielte Logo passte schlicht nicht mehr zum neuen Geschäftsmodell. Auch ist eine gerade, simple Gestaltung besser für digitale Anwendungen geeignet, funktioniert auf allen Bildschirmgrößen, skaliert problemlos.

Aber sind das wirklich Gründe, ins Banale abzudriften? Keine Geschichten mehr in petto zu haben? Man überlässt das Geschichtenerzählen nun den Nutzern – ein ehrlicher Ansatz, oder Kapitulation vor der eigenen Einfallslosigkeit?

Auch Microsoft ist durch den letzten Relaunch noch banaler geworden. Das alte Logo hatte wenigstens noch Dynamik, eine Kerbe im O, an der das Auge beim Darüberstreichen hängen blieb. Heute: vier farbige Quadrate und ein seelenloses Wort. Fertig ist die Konzernidentität.

Und dann ist da noch Elon Musks radikalster Schritt: die Verwandlung von Twitter in X. Ein ikonischer blauer Vogel, der weltweit für Kommunikation, Leichtigkeit und ja, auch für Gezwitscher stand – ersetzt durch ein schlichtes X. Minimalistischer geht es kaum. Musk verkaufte es als visionär, als Symbol für die "Everything App". In Wahrheit: der Austausch eines prägnanten, emotional aufgeladenen Symbols durch einen Buchstaben, den man in jedem beliebigen Font setzen kann. Banalisierung in Perfektion.

Leben wir in einer Zeit zunehmender Banalisierung von Logos? Die Indizien sprechen dafür. In einer Welt, in der alles „clean", „minimal" und „modern" sein muss, verlieren Markenzeichen ihre Persönlichkeit. Die Angst vor Ecken und Kanten – im wahrsten Sinne des Wortes – führt zu einer visuellen Monokultur aus serifenlosen Schriften und vereinfachten Formen.

Wenn ein Apfel gegen Birnen kämpft

Apple verteidigt seinen angebissenen Apfel mit aller Macht – und schießt dabei auch gegen Birnen, wie der Rechtsstreit gegen das Meal-Prep-Start-up PREPEAR zeigte, dessen birnenförmiges Logo Apple zu ähnlich erschien. Die Cupertino-Manager wollen der Erosion ins Banale entgegenwirken. Sie klammern sich an ihr ikonisches Symbol, weil sie wissen: In einer Welt austauschbarer Logos ist Wiedererkennbarkeit Gold wert.

Das können nicht alle. Die meisten Marken haben nicht den Luxus eines seit Jahrzehnten etablierten, weltweit erkennbaren Symbols. Sie müssen sich mit dem begnügen, was der Zeitgeist vorgibt – und der ist gerade erschreckend uniform.

Meta – oder: Das Unendlichkeitszeichen als M

Mark Zuckerberg hat sich endlich eine Dachorganisation für seine vielen Marken geschaffen, Millionen für die rechtliche Nutzung des Namens Meta bezahlt und ein altbekanntes Unendlichkeitssymbol vorangestellt. Es soll ein verschlungenes M sein – was nur Kreative mit weitem Interpretationshorizont so sehen können.

Sicher, das Berliner Start-up NEWSENSELAB weinte und bedauerte öffentlich, dass es sein Unendlichkeits- oder besser M-Zeichen nicht markenrechtlich hatte schützen lassen. Das Unternehmen hatte das Symbol zuvor für eine therapeutische App für Migränepatienten verwendet. Aber unter uns Profis: Es wäre niemals eintragungsfähig gewesen. Es fehlt die markenrechtlich erforderliche Unterscheidungskraft und vor allem die Schöpfungshöhe. Das gilt für beide Logos. Es ist einfach ein Unendlichkeitszeichen, und die Typografie kommt aus dem digitalen Setzkasten.

Meta steht damit exemplarisch für ein Phänomen unserer Zeit: Milliardenschwere Konzerne leisten sich Design-Agenturen, die ihnen Symbole verkaufen, die jeder Praktikant in zehn Minuten reproduzieren könnte. Wo ist der Mut? Wo die Vision? Wo die gestalterische Kraft?

Das Verschwinden der Handschrift

Die Homogenisierung der Logolandschaft ist kein Zufall. Sie ist das Ergebnis mehrerer Faktoren:

Globalisierung und Digitalisierung erfordern Logos, die auf jedem Bildschirm, in jeder Größe, in jedem Kulturkreis funktionieren. Subtilität wird zum Risiko, Vereinfachung zur Tugend.

Design-Trends verbreiten sich in Echtzeit. Was bei einem funktioniert, wird von allen kopiert. Das Resultat: eine visuelle Echo-Kammer, in der sich alles ähnelt.

Mut wird abtrainiert. In Zeiten datengetriebener Entscheidungen siegt das A/B-Testing über die gestalterische Vision. Was in Fokusgruppen die beste Performance zeigt, gewinnt – auch wenn es austauschbar ist.

Die Angst vor dem Scheitern ist größer als der Wunsch nach Originalität. Lieber ein sicheres, langweiliges Logo als ein mutiges Experiment, das schiefgehen könnte.

Was bleibt?

Vielleicht leben wir tatsächlich in einer Epoche der visuellen Belanglosigkeit. Einer Zeit, in der Logos nicht mehr gestaltet, sondern optimiert werden. In der Marken keine Persönlichkeit mehr haben, sondern nur noch Präsenz.

Die Frage ist: Wie lange wird diese Phase anhalten? Wann kommt der Punkt, an dem Unternehmen erkennen, dass Austauschbarkeit keine Strategie ist? Dass ein Logo mehr sein muss als ein funktionierendes Icon?

Bis dahin bleibt uns nur, wehmütig auf die tanzenden Buchstaben von eBay zurückzublicken – auch wenn sie angeblich eine Community symbolisieren sollten, die wir nie so gesehen haben. Wenigstens hatten sie Charakter.

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